Mittelrhein – der Deutschen liebster Strom

Wohl keine Landschaft hat die deutsche Seele so in Schwingungen versetzt, hat das nationale Gemüt so in Wallung gebracht wie der Rheın. Damit ist aber gar nicht der gesamte Fluß auf seiner Länge von gut 1300 Kilometern gemeint, nein, es ist der Rhein der Burgen und Ruinen, vor allem also der Mittelrhein zwischen Mainz und Koblenz, der bis heute unser romantisches Bild von diesem Fluß prägt.

Doch seit den Tagen der Ritter und Drachentöter ist schon viel Wasser den Strom hinabgeflossen und es fließt immer schneller: Der Flußlauf ist mehr und mehr begradigt worden. Heute stampfen dröhnend Schubverbände flußaufwärts, schlängeln sich rumpelnd endlos lange Güterzüge die modernen Nachkömmlinge der Lindwürmer – durchs enge Flußtal, stauen sich auf den engen Uferpassagen zu beiden Seiten die Gefährte der neuzeitlichen Eroberer, die Autos und Autobusse der Touristen. Hoch oben überqueren den Fluß in kühnem Schwung die knisternden Trossen der Hochspannungsleitungen, und was in dunklen Kanälen unter den Strom gelangt, ist längst Stoff für moderne Zweifel wären wirklichkeitsfremd: Der Rhein ist ein Opfer der Zivilisation geworden.

Und doch läßt sich gerade dieser Landstrich, eine der verkehrsreichsten und höchstindustrialisierten Gegenden Europas, als eine ungemein romantische Region erleben. Der Rhein ein deutsches Paradox.

Längst schon ist er dahin, der nationale Mythos des „Vater Rhein“. Vorbei die Zeiten, als rhein- und Weinselige Volksliedromantik herhalten mußte für die Abgrenzung gegen den großen Nachbarn im Westen, als Barriere gegen tatsächliche oder vermeintliche territoriale Begehrlichkeit Frankreichs. Heute verbindet der Deutschen liebster Fluß mehr, als daß er trennt, ist er als Strom Europas ein wunderbarer Vermittler nachbarschaftlichen Kulturstrebens, Handels und Wandels.

Sinnbild rheinischer Romantik sind die alten Burgen, wie etwa Burg Rheinstein bei Trechtingshausen. Dem Katholizismus am Rhein verdanken wir nicht nur kostbare mittelalterliche Kathedralen, sondern auch gelungene Synthesen des Alten mit moderner Kunst, wie die Glasfenster von Marc Chagall in der Kirche Sankt Stephan in Mainz. Mainz, Köln und Düsseldorf sind Hochburgen des einmaligen rheinischen Straßenkarnevals. Die alltägliche Rhein-Romantik ist still wie in den steilen Weinbergen. Aber auch die künstliche hat wie beim „Rhein in Flammen“ vor der Marksburg ihren eigenen Reiz.

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